ART COLOGNE 2023
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Christine Gironcoli
Die Arbeiten der Wiener Künstlerin (*1941) standen bislang ganz im Schatten ihres Mannes, des bedeutenden österreichischen Bildhauers Bruno Gironcoli (1936 – 2010), mit dem sie in den 50er Jahren Kunst studiert hatte.
Ausgehend von ihrer Jahrzehnte langen Praxis als Restauratorin, arbeitet Christine Gironcoli auf zum Teil mehrere hundert Jahre alten Doublierlein-wänden. Diese Gewebe werden mit den Rückseiten alter Gemälde verklebt, um z.B. deren Einreißen zu verhindern. Bei einer Restaurierung werden sie abgenommen (und entsorgt) und durch neue Stützleinwände ersetzt. Christine Gironcoli hat sie nie weggeworfen, sondern nutzt sie als Basis ihrer Kunst. Auf Verfärbungen und Spuren, die sich im Laufe der Zeit ganz von allein auf ihnen abgezeichnet haben, reagiert die Künstlerin mit größter Sensibilität. Mal unmerklich fein, mal mit entschiedenen Farbsetzungen oder auch mit dem Applizieren gefundener Objekte. Die Kunst von Christine Gironcoli erschließt uns den verborgenen Kosmos, den Rückseiten von Gemälden darstellen, und bringt als erste(r) Künstler:in diese verborgenen Leinwände ans Licht.
Zunächst am Konservatorium in Wien zur Pianistin ausgebildet, studierte Christine Gironcoli in den 1950er Jahren Malerei, unter anderen mit Günter Brus und Bruno Gironcoli, den sie heiratete. Die Geburt ihrer gemeinsamen Tochter (*1961) erlaubte keine Karriere im Kunstbetrieb. So erlernte sie den Beruf der Gemälderestauratorin, den sie bis 1995 ausübte. Seither widmet sie sich intensiv der eigenen Kunst. Bis vor vier Jahren war ihr Werk noch unbekannt. Nur durch einen Zufall hat Kai Middendorff, der Bruno Gironcoli bereits sechs mal ausgestellt hatte, ihre Arbeiten entdeckt. Daraufhin richtete er ihr die erste Einzelausstellung überhaupt ein, zeigte sie auf Messen in Basel und Wien und nun erstmals auf einer deutschen Messe. Zwei institutionelle Ausstellungen sind in Planung.
Ab März wird die Albertina in Wien Bruno Gironcolis kleinformatige Arbeiten auf Papier aus den eigenen Beständen in einer umfangreichen Einzelausstellung präsentieren. Auf der Art Cologne zeigt Kai Middendorff exzellente Werke aus eben dieser Schaffensperiode, ergänzt durch winzige, lediglich 12 x 12 cm und 10 x 21 cm große Papierarbeiten aus dem Nachlass des Künstlers. (Arbeiten in diesem Format wurden bisher noch nie als Einzelwerke ausgestellt.) Diese Entwürfe zu seinen gigantischen Plastiken erlauben einen einzigartigen Einblick in sein künstlerisches Denken und Arbeiten. Dass Gironcoli seine Skizzen ausgesprochen bildhaft auffasst, offenbart, dass der bedeutende Bildhauer ursprünglich Malerei studiert hat.
Ein Gehirntumor machte dem 1936 geborenen und 2010 verstorbenen Künstler ab Anfang der 90er Jahre das Arbeiten im Zweidimensionalen komplett unmöglich, weshalb er seither keine weiteren Papierarbeiten, nur noch Plastiken geschaffen hat.
Im Kunstforum Wien hat Robert Fleck dem türkischen Künstler diesen Sommer eine große Ausstellung eingerichtet, die den Quantensprung in seinem Werk erstmalig öffentlich vorgestellt hat. Kai Middenorff, der Yalcindag seit 1997 vertritt, zeigt diese Arbeiten, die aktuell auch in der Nitsch Foundation in Wien zu sehen sind, auf der Art Cologne 2023 erstmalig in Deutschland.
Ekrem Yalcindag, 1964 in der Türkei geboren und dort aufgewachsen, studierte Kunst zunächst in Izmir, dann an der Frankfurter Städelschule bei Thomas Bayrle und Herrmann Nitsch (Meisterschüler). Heute zählt er zu den bedeutendsten Künstlern der Türkei. Er lebt und arbeitet hauptsächlich in Istanbul, aber auch in Frankfurt am Main.
„ekrems kunst ist nirgendwo ein fremdkörper. sie ist vielleicht ausdruck eines neuen weltbewusstseins. sprache der vielfältigkeit …“
Hermann Nitsch (2016)